Casandra Krammer

Drawing by: chelsea-bee
[...]
»Vielleicht versucht sie aber auch, die Aufmerksamkeit
von dir abzulenken«, meinte Simon geistesabwesend. »Du
weißt schon: Weil deine Eltern ja nicht wissen, dass du
schwul bist …«
Alec blieb derart ruckartig stehen, dass Simon fast in ihn
hineingelaufen wäre. »Nein, sie wissen es nicht, aber offensichtlich
alle anderen«, stieß er hervor.
»Mit Ausnahme von Jace«, sagte Simon. »Er weiß es
nicht, oder?«
Alec holte tief Luft. Er war blass im Gesicht, dachte Simon,
aber vielleicht lag es auch nur am Mondlicht, das der

kompletten Umgebung sämtliche Farbe zu entziehen schien.
Alecs Augen wirkten fast schwarz. »Ich wüsste wirklich
nicht, was dich das angeht. Es sei denn, du versuchst, mir zu
drohen«, sagte er düster.
»Dir zu drohen?« Simon starrte ihn verblüfft an. »Nein,
das hatte ich nicht vor…«
»Und was soll das dann?«, fragte Alec und in seiner
Stimme schwang eine plötzliche, offene Verletzlichkeit mit,
die Simon bestürzte. »Warum hast du dann überhaupt davon
angefangen?«
»Weil du mich die meiste Zeit zu hassen scheinst«, erwiderte
Simon. »Keine Sorge, ich nehme das nicht persönlich,
obwohl ich dir mal das Leben gerettet habe. Aber du
scheinst die ganze Welt zu hassen. Im Grunde haben wir
beide nichts gemein. Aber ich sehe, wie du Jace anschaust,
und dann sehe ich mich, wie ich Clary anschaue, und dann
wird mir klar, dass wir vielleicht doch etwas gemein haben.
Und vielleicht trägt das ja dazu bei, dass du mich ein bisschen
weniger hasst.«
»Dann wirst du es Jace also nicht erzählen?«, fragte
Alec. »Ich meine … du hast Clary gesagt, was du für sie empfindest,
und …«
»Und das war keine gute Idee«, erklärte Simon. »Inzwischen
frage ich mich, wie man nach so einem Bekenntnis
wieder zur Normalität zurückkehren soll. Und ob wir jemals
wieder Freunde sein können oder ob unsere Freundschaft
zerbrochen ist. Nicht ihretwegen, sondern meinetwegen.
Vielleicht wäre es etwas anderes, wenn ich jemand Neues
fände …«
»Jemand Neues«, wiederholte Alec. Er hatte sich hastig
wieder in Bewegung gesetzt und starrte missmutig vor sich
hin.

Simon schloss eilig zu ihm auf. »Du weißt schon, was
ich meine. Ich glaube nämlich, dass Magnus Bane dich
wirklich mag. Und er ist ziemlich cool. Jedenfalls veranstaltet
er großartige Partys. Auch wenn ich beim letzten Mal in
eine Ratte verwandelt wurde.«
»Danke für den Tipp«, erwiderte Alec trocken. »Aber ich
glaube nicht, dass er mich wirklich so sehr mag. Als er zum
Institut kam, um das Portal zu öffnen, hat er kaum ein Wort
mit mir gewechselt.«
»Vielleicht solltest du ihn mal anrufen«, schlug Simon
vor und versuchte, nicht allzu lange darüber nachzudenken,
wie merkwürdig es war, einem Dämonenjäger Ratschläge
für eine mögliche Beziehung mit einem Hexenmeister zu
erteilen.
»Geht nicht«, sagte Alec. »In Idris gibt’s kein Telefon.
Ach, ist ja sowieso egal.« Abrupt blieb er stehen. »Wir sind
da. Das hier ist die Garnison.«

[...]

Quelle: City of Glass
(c) Cassandra Clare - Arena Verlag
0 Responses

Kommentar veröffentlichen