Casandra Krammer
Heute gibt es eine etwas längere Szene.
[...]
Das Erste, was Alec wahrnahm, war die Eiseskälte. Als Zweites
wurde ihm bewusst, dass er keine Luft bekam. Als er zu atmen
versuchte, verkrampfte sich sein Körper. Mühsam setzte er
sich auf und spuckte bitteres, dreckiges Flusswasser, was ihn
erneut würgen und husten ließ.
Irgendwann bekam er wieder Luft, obwohl sich seine Lunge
anfühlte, als stünde sie in Flammen. Keuchend schaute er sich
um. Er saß auf einer Wellblechplattform … nein, er befand
sich auf der Ladefläche eines Wagens – einem Pick-up, der
mitten auf dem Fluss trieb. Aus seinen Haaren und Kleidern
strömte kaltes Wasser. Und ihm gegenüber saß Magnus Bane
und schaute ihn mit bernsteinfarbenen Katzenaugen an, die
im Dunkel leuchteten.
Alecs Zähne begannen zu klappern. »Was … was ist passiert?«
»Du hast versucht, den East River leerzutrinken«, sagte Magnus
und jetzt sah Alec, dass auch Magnus’ Kleidung klatschnass
war und ihm wie eine zweite dunkle Haut am Körper
klebte. »Ich habe dich rausgezogen.«
Alec dröhnte der Kopf. Er tastete nach seiner Stele, doch sie
steckte nicht mehr in seinem Gürtel. Mühsam versuchte er,
sich zu erinnern – das Schiff, überschwemmt von Dämonen;
Isabelle, die stürzte und von Jace aufgefangen wurde; Blut,
überall Blut; die Dämonen, die angriffen …
»Isabelle! Sie war gerade auf dem Weg nach unten, als ich
fiel …«
»Es geht ihr gut. Sie hat es in ein Boot geschafft. Ich habe sie
gesehen.« Magnus streckte die Hand aus, um Alecs Kopf zu
berühren. »Du dagegen hast möglicherweise eine Gehirnerschütterung.«
»Ich muss wieder zurück und kämpfen.« Alec schob seine
Hand beiseite. » Du bist doch Hexenmeister. Kannst du mich
nicht … zum Schiff zurückfliegen oder so etwas? Und meine
Gehirnerschütterung heilen, wenn du schon mal dabei bist?«
Mit ausgestreckter Hand ließ Magnus sich gegen eine der
Seitenwände sacken. Im Sternenlicht erinnerten seine Augen
an grüngoldene Scheiben, hart und funkelnd wie Edelsteine.
»Tut mir leid«, sagte Alec, als ihm bewusst wurde, wie er
geklungen haben musste. Trotzdem fand er, Magnus müsse
doch einsehen, wie wichtig es war, dass er zum Schiff zurückkehrte.
»Ich weiß, dass du uns nicht helfen musst … es ist nur
ein Gefallen …«
»Moment. Ich tue dir keine Gefallen, Alec. Ich tue etwas für
dich, weil … na ja, warum tue ich das wohl? Was glaubst du?«
Alec spürte einen Kloß im Hals und konnte nicht antworten.
So war es immer, wenn er mit Magnus zusammen war. Es
schien ihm, als gäbe es da einen Schmerz oder eine Trauer in
seinem Herzen, und jedes Mal, wenn er etwas sagen wollte,
irgendetwas Bedeutsames oder Aufrichtiges, dann stieg dieses
Gefühl in ihm auf und hinderte ihn am Sprechen. »Ich muss
wieder zum Schiff zurück«, sagte er schließlich matt.
Magnus war zu erschöpft, um noch Wut zu empfinden.
»Ich würde dir ja helfen«, sagte er. »Aber ich kann nicht. Die
Demontage der Schutzschilde war schon anstrengend genug –
Valentin verwendet einen starken, von Dämonenkräften
genährten Bann. Aber als du gestürzt bist, musste ich einen
schnellen Zauber über den Pick-up legen, damit er nicht versinkt,
wenn ich das Bewusstsein verliere. Und ich werde das
Bewusstsein verlieren, Alec. Das ist nur noch eine Frage der
Zeit.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich wollte
nicht, dass du ertrinkst«, sagte er. »Der Zauber müsste so
lange anhalten, dass du es mit dem Wagen bis an Land
schaffst.«
»Das … das wusste ich nicht.« Alec blickte Magnus an, der
zwar dreihundert Jahre alt war, aber immer jugendlich gewirkt
hatte, als hätte er mit neunzehn aufgehört zu altern. Nun
durchzogen tiefe Falten die Haut um Augen und Mund. Sein
Haar fiel ihm strähnig in die Stirn und die Tatsache, dass er
die Schultern hängen ließ, hing nicht mit seiner sonst üblichen
lässigen Haltung zusammen, sondern mit tiefer Erschöpfung.
Alec streckte die Hände aus. Sie schimmerten blass und
runzlig im Mondlicht und waren mit Dutzenden von hellen
Narben übersät. Verwirrt schaute Magnus erst auf Alecs Hände
und dann wieder in sein Gesicht.
»Nimm meine Hände«, sagte Alec. »Und meine Kraft. Was
immer du brauchst … um dich am Leben zu halten.«
Magnus rührte sich nicht. »Ich dachte, du müsstest zurück
zum Schiff.«
»Ich muss kämpfen«, erwiderte Alec. »Aber das tust du
doch auch, oder? Du bist genauso Teil des Kampfes wie die
Schattenjäger auf dem Schiff – und ich weiß, dass du einen
Teil meiner Kraft übernehmen kannst. Ich habe von Hexenmeistern
gehört, die dazu in der Lage sind, also biete ich sie
dir an. Nimm sie. Sie gehört dir.«
[...]
Quelle: City of Ashes
(c) Cassandra Clare - Arena Verlag
Casandra Krammer
[...]
Alec warf einen Blick auf die Kommode. »Da liegt es nicht.«
Isabelle, die gerade eine Iratze auf Jace’ Rücken aufbrachte,
fluchte leise. »Oh, verdammt. Ich hab mein Handy in der Küche
liegen lassen. So ein Mist. Wenn ich jetzt nach unten gehe,
besteht die Gefahr, dass ich der Inquisitorin in die Arme laufe.«
»Ich kann es ja holen«, bot Max an. »Mich beachtet sie gar
nicht, ich bin zu jung.«
»Ja, vielleicht.« Isabelle klang zögernd. »Wofür braucht ihr
denn das Telefon, Alec?«
»Wir brauchen es einfach«, erwiderte Alec ungeduldig. »Izzy
…«
»Falls du vorhast, Magnus eine SMS zu schicken – Ich <3
dich –, dann bring ich dich um.«
»Wer ist Magnus?«, fragte Max neugierig.
»Er ist ein Hexenmeister«, sagte Alec.
»Ein verdammt sexy Hexenmeister«, erklärte Isabelle ihrem
jüngeren Bruder, wobei sie Alecs wütenden Blick einfach
ignorierte.
»Aber ich dachte, Hexenmeister sind böse«, protestierte
Max verwirrt.
»Genau«, sagte Isabelle.
[...]
Quelle: City of Ashes
(c) Cassandra Clare - Arena Verlag
Casandra Krammer
Die gute alte furchtlos-Rune!
[...]
Als Maryse ihren ältesten Sohn in Lukes Wohnzimmer erblickte,
traute sie kaum ihren Augen. »Alec, was um alles in
der Welt machst du hier? Ich dachte, ich hätte mich klar genug
ausgedrückt …«
»Mutter.« Alecs Stimme klang fest und unerschütterlich,
aber gar nicht mal unfreundlich, als er seine Mutter unterbrach.
»Vater. Ich habe euch etwas mitzuteilen.« Er lächelte.
»Ich bin mit jemandem zusammen.«
Robert Lightwood schaute seinen Sohn leicht gereizt an.
»Alec, das ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment«, sagte
er.
»Doch, das ist genau der richtige Moment. Und es ist sehr
wichtig für mich. Ihr müsst nämlich wissen, dass ich nicht
einfach mit irgendjemandem zusammen bin.« Die Worte
schienen förmlich aus Alec herauszusprudeln, während Maryse
und Robert ihren Sohn verwirrt ansahen und Isabelle und
Magnus ihn mit einem fast identischen Ausdruck sprachloser
Verwunderung anstarrten. »Ich bin mit einem Schattenwesen
zusammen. Um genau zu sein, bin ich mit einem Hex…«
Blitzartig schnippte Magnus mit den Fingern und um Alec
herum begann die Luft schwach zu flimmern: Im nächsten
Moment verdrehte er die Augen und stürzte wie ein gefällter
Baum zu Boden.
»Alec!« Maryse schlug die Hand vor den Mund und Isabelle, die in der Nähe ihres Bruders gestanden hatte, hockte sich
sofort neben ihm nieder. Doch Alec rührte sich bereits wieder;
seine Lider flatterten und dann schlug er die Augen auf. »Was
… was … warum liege ich auf dem Boden?«
»Gute Frage.« Isabelle starrte ihren Bruder finster an. »Was
war das eben?«
»Was war was?« Alec setzte sich auf und hielt sich den Kopf.
Ein erschreckter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht
breit. »Warte mal … hab ich irgendetwas gesagt? Ich meine,
bevor ich in Ohnmacht gefallen bin.«
Jace schnaubte. »Wir haben uns doch eben noch gefragt, ob
das, was Clary gemacht hat, wohl funktioniert«, erwiderte er.
»Ich kann dir versichern: Es funktioniert ganz hervorragend.«
Zutiefst bestürzt schaute Alec sich um. »Was habe ich gesagt?
«
»Du hast gesagt, du wärst mit jemandem zusammen«, erklärte
sein Vater. »Allerdings wurde nicht deutlich, warum das
so wichtig ist.«
»Ist es auch nicht«, sagte Alec. »Ich meine, ich bin mit niemandem
zusammen. Und es ist auch nicht wichtig. Das heißt,
es wäre nicht wichtig, wenn ich mit jemandem zusammen
wäre, was ich aber nicht bin.«
Quelle: City of Ashes
(c) Cassandra Clare - Arena Verlag
Casandra Krammer
Jace hatte Magnus’ kurze Rede mit zunehmender Verärgerung
angehört; seine Augen funkelten düster. »Nein, das
nicht«, sagte er nun, »aber du bist zufälligerweise der einzige
Hexenmeister in unserem Bekanntenkreis, der mit einem
unserer Freunde zusammen ist.«
Einen Moment lang starrten ihn alle an – Alec mit blankem
Entsetzen im Blick, Magnus mit einer Mischung aus Verblüffung
und Verärgerung und Clary und Simon in sprachlosem
Erstaunen. Alec fasste sich als Erster. »Warum sagst du so
was?«, fragte er mit zitternder Stimme.
Jace schaute ihn verwirrt an. »Warum sage ich was?«
»Dass ich mit ihm … dass wir zusammen sind. Das ist absolut
nicht wahr«, sagte Alec, dessen Stimme sich nun unkontrolliert
hob und senkte.
Jace musterte ihn ruhig. »Ich hab doch gar nicht gesagt, dass er mit dir zusammen ist«, erwiderte er. »Aber findest du
es nicht lustig, dass du genau wusstest, was ich gemeint habe?«
»Wir sind nicht zusammen«, sagte Alec erneut.
»Ach, wirklich?«, fragte Magnus. »Dann bist du also zu jedem
so freundlich?«
»Magnus.« Alec warf dem Hexenmeister einen flehentlichen
Blick zu. Doch Magnus hatte offenbar genug von dem Theater.
Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich
schweigend zurück und musterte die Anwesenden aus zusammengekniffenen
Katzenaugen.
Alec wandte sich an Jace. »Du denkst doch nicht etwa …«,
setzte er an. »Ich meine, du kannst doch unmöglich glauben …«
Verwundert schüttelte Jace den Kopf. »Ich verstehe wirklich
nicht, warum du dir solche Mühe gibst, deine Beziehung mit
Magnus vor mir zu verheimlichen. Es ist doch nicht so, als ob
es mir etwas ausmachen würde.«
Falls Jace seine Worte als Beruhigung gemeint hatte, verfehlte
er sein Ziel gründlich. Alec wurde kreidebleich im Gesicht
und schwieg. Diesmal wandte Jace sich an Magnus. »Hilf
du mir doch, ihn davon zu überzeugen, dass es mir wirklich
egal ist«, sagte er.
»Ach, ich denke schon, dass er dir das glaubt«, erwiderte
Magnus leise.
»Dann kapier’s ich nicht …« Die Verwirrung stand Jace ins
Gesicht geschrieben.
Für einen kurzen Moment erhaschte Clary den Ausdruck in
Magnus’ Augen und wusste, dass er stark versucht war, diese
Frage selbst zu klären. Von plötzlichem Mitgefühl für Alec
erfasst, zog sie ihre Hand aus Simons Griff und rief »Jace, das
reicht! Hör auf damit.«
Quelle: City of Ashes
(c) Cassandra Clare - Arena Verlag